Ausbildungsmöglichkeiten

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Inhaltsverzeichnis

Ausbildungsmöglichkeiten für die Arbeit im IT-Bereich

Vorbemerkung

Die folgenden Angaben beziehen sich im Wesentlichen auf die Ausbildung von blinden und sehbehinderten Menschen im IT-Bereich. Darüber aus gelten selbstredend die Anforderungen und Regelungen der normalen Ausbildung in diesem Bereich.

Arbeiten im Bereich IT - geht das?

Wenn man schon länger in diesem Bereich als blinder oder sehbehinderter Mensch arbeitet, würde man sofort Ja! antworten. Objektiv betrachtet muss man sicher differenzieren. Es gibt im IT-Sektor sicher viele Berufsbilder, die zugänglich sind, während andere Bereiche wohl auf Dauer für uns unzugänglich sein werden. Deshalb möchte ich die Frage mit einem "Ja, unter bestimmten Voraussetzungen" beantworten.

Warum sollte ich einen Beruf im IT-Bereich anstreben?

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es eine Reihe guter Gründe, sich für den IT-Sektor zu entscheiden:

  • Die Chancen auf einen Arbeitsplatz sind derzeit im IT-Bereich sehr gut. Dadurch bekommen evtl. auch solche Bewerber eine Chance, die in anderen Bereichen von Beginn an keine Chance haben. Wenn eine Firma einen Softwareentwickler bzw. gleich mehrere davon sucht, wird er sich die wenigen eintreffenden Bewerbungen gründlicher ansehen, als in Berufen, bei denen wahre Fluten an Bewerbungen einlaufen.
  • In vielen Bereichen der IT ist ein Arbeiten ohne Assistenz und im Wettbewerb mit Kollegen möglich. Man hat also wirklich eine Chance auf einen gleichberechtigten Arbeitsplatz. Z.B. ist es möglich Datenmodelle und Kernimplementierungen einer Software zu übernehmen, während sich andere Kollegen um die Oberfläche kümmern.
  • ITler sind näher am Geschehen, wenn neue Software eingeführt werden soll. Während Schreibkräfte und andere Beschäftigte von einer Software erfahren, wenn sie bereits beschlossen und evtl. sogar bereits eingeführt wurde, haben ITler evtl. eher die chance den Prozess zu begleiten und Entscheidungen zu beeinflussen. Das gleiche gilt für die Wartung des Arbeitsplatzes. Häufig wollen Arbeitgeber mit dem Blindenarbeitsplatz wenig am Hut haben - ihn vorallem technisch nicht aktualisieren. ITler können anhand der technischen Fakten und ohne Scheu eher dafür sorgen, dass der Arbeitsplatz der normalen Wartung unterliegt.
  • Hilfe zur Selbsthilfe: Am Ende einer IT-Ausbildung ist man in jedem Fall eher in der Lage den eigenen PC besser zu kontrollieren und Anwendungen den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Weil die IT für blinde und sehbehinderte Menschen zur Schlüsseltechnologie geworden ist, kommt einem umfangreichen IT-Wissen eine zentrale Bedeutung zu.
  1. Als ITler kann man mithelfen, die Anzahl zugänglicher Anwendungen zu erhöhen und damit wieder die Berufschancen anderer zu erhöhen.

Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es?

Es gibt grundsätzlich drei mögliche Ausbildungsformen, die weiter unten im Detail beschrieben werden:

  1. Studium der Informatik o.ä. an einer Universität oder Fachhochschule
  2. Ausbildung in einem "normalen Betrieb"
  3. Ausbildung in einem Berufsbildungswerkoder einer ähnlichen Einrichtung

Idealerweise erlangt man mit allen drei Wegen den Zugang zu einem Arbeitsplatz in der IT-Branche.

Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen?

Neben den schulischen Voraussetzungen (passender Schulabschluss) sind aus Sicht von blinden oder sehbehinderten Menschen die folgenden Fähigkeiten notwendig:

  1. Perfekter oder zumindest sehr guter Umgang mit den eigenen Hilfsmitteln: Es hat keinen Sinn eine Ausbildung (besonders eine IT-Ausbildung) zu beginnen, wenn man die eigenen Hilfsmittel nicht gut beherrscht. In der Ausbildung selbst ist das Tempo zu hoch und es werden viele andere Inhalte vermittelt, sodass die Grundlage der Hilfsmittelbenutzung vorhanden sein muss.
  2. Selbstbewusstes und ehrliches Auftreten: Es gibt bei allen o.g. Wegen noch viele Hürden und Barrieren zu meistern. Ohne eine gute Portion Selbstbewusstsein können sie zum unüberwindbaren Hindernis werden. Dazu gehört z.B. einem Dozenten zum X-tenmal zu sagen: "Lesen Sie bitte vor, was sie an die Tafel schreiben." Das klingt banal, ist aber oft in der Praxis nervig und schwierig in der Umsetzung. Ehrlichkeit: Es gibt bei allen Ausbildungen Anwendungen und Bereiche, bei denen ein blinder oder sehbehinderter Auszubildender technische Schwierigkeiten hat - z.B. weil ein Screenreader keine Java-Anwendungen unterstützt. Der Azubi sollte nun in der Lage sein, diese probleme von Beginn an und offen zu kommunizieren.
  3. Gutes mathematisches und abstraktes Verständnis: Sehende Menschen behelfen sich an vielen Stellen mit visuellen Darstellungen und Verdeutlichungen. Diese sind für uns oft nicht möglich, oder nicht so aussagekräftig. Es ist daher sehr hilfreich, sich viele Zusammenhänge rein abstrakt vorstellen zu können. Beispiel: Eine Gruppe arbeitet an einem Klassenmodell für eine Software. Nur mit abstraktem Verständnis wird es möglich sein, der Gruppe zu folgen und sich selbst einzubringen.

Die Ausbildungswege

Studium an einer Uni oder Fachhochschule

Falls möglich, ist der Ausbildungsweg über ein Studium die beste Möglichkeit. Dabei erreicht man zum einen einen konkurrenzfähigen Abschluss, und befindet sich zum anderen in einer Ausbildung ohne direkte ökonomische Zwänge. Damit meine ich nicht das eigene Auskommen, sondern die Tatsache, dass an einer Universität oder Fachhochschule eher Möglichkeiten für eine individuelle Förderung und Unterstützung vorhanden sind. Dazu kommt noch der höhere Abschluss, was sich in Berufsaussichten und dem Gehalt niederschlägt. Das Studium kann zum einen an einer ganz normalen Uni oder FH durchgeführt werden, wobei es quasi keine spezielle Betreuung für blinde oder sehbehinderte Studenten gibt. Dies dürfte denn auch der schwerste und härteste Weg sein, weil alle Prüfungsmodalitäten, Alternativen für Labore etc. selbst von zwischen Studenten und Dozenten etc. ausgehandelt werden müssen. Daneben gibt es mittlerweile eine Reihe an Unis und FHs, bei denen ein sog. Sehbehindertenzentrum angeschlossen ist. Dabei kümmern sich Mitarbeiter um die Aufbereitung von Prüfungs- und Unterrichtsunterlagen und konsolidieren Erfahrungen und mögliche Alternativen. Derzeit gibt es folgende Unis mit einem Sehbehindertenzentrum:

  • Dresden
  • Karlsruhe

Folgende FHs haben ein Sehbehindertenzentrum:

  • FH Gießen-Friedberg

Ausbildung in einem normalen Betrieb

Es gibt bereits Auszubildende, die eine Ausbildung in einem IT-Unternehmen wie alle anderen absolviert haben. Hier muss von allen Beteiligten (Azubi, Ausbilder, Berufsschule etc.) ein großes Engagement mitgebracht werden. Die Beteiligten sollten das ganze wirklich wollen! Für die meisten technischen Probleme - um die geht es ja i.d.R., lassen sich durchaus Lösungen oder Alternativen finden. Die Chancen auf einen Arbeitsplatz, oder evtl. sogar einer Übernahme, sind sicher höher, als bei einer überbetrieblichen Ausbildung.

Ausbildung in einem Berufsbildungswerk

Falls Studium oder eine Ausbildung in einem Betrieb nicht infrage kommen, gibt es die Möglichkeit, in einem Berufsbildungswerk ausgebildet zu werden. Für den Kostenträger ist dies allerdings die teuerste Form. Der Weg ist sicher gut geeignet für all diejenigen, die die o.g. Voraussetzungen noch nicht ganz erfüllen, oder denen man eine Integration noch nicht zumuten möchte. Allerdings: Spätestens nach der Ausbildung kommt die Integration unausweichlich! Derzeit werden in folgenden Einrichtungen folgende IT-Ausbildungen angeboten:

  • BFW Würzburg: Informatikkaufmann/-frau
  • BBW Chemnitz: Informatikkaufmann/-frau, Fachinformatiker/-in für Anwendungsentwicklung, Fachinformatiker/-in für Systemintegration
  • BBS Nürnberg: Informatikkaufmann/-frau

Wer kann bei Fragen weiterhelfen

eine der zentralen Aufgaben der BFG IT besteht darin, das bekannte Wissen an andere weiterzugeben und somit auch Auszubildenden, Ausbildern etc. zu helfen. Das gilt ausdrücklich auch für Kostenträger und Rehaberater, die sich evtl. nicht sicher sind, ob und wenn welche Ausbildungsform für einen Kandidaten infrage kommt. Allgemein gilt sicher: Falls irgend möglich, sollte die Schulausbildung soweit wie möglich vorangetrieben werden - sprich nach Möglichkeit Abitur. Damit erwirbt ein Kandidat zum Einen Option auf alle drei Wege und erhöht die Erfolgsaussichten auf einen Abschluss allgemein. Für Ausbildungen im IT-Unternehmen werden lt. Aussage einiger Ausbilder vorrangig abiturienten angenommen, weil in der Ausbildung umfangreicher Stoff vermittelt wird und viel eigenständiges Denken und Arbeiten erwartet wird. Für Fragen sprechen Sie uns einfach über den Link auf der Hauptseite an.

In welchen Berufsbildern können blinde und sehbehinderte arbeiten und in welchen nicht?

An dieser Stelle wollen wir zusammentragen, was bislang als möglich oder unmöglich bekannt ist. Da jedes Unternehmen ein Berufsbild oft anders nennt, ist es leicht möglich, dass man etwas zwischen den Zeilen lesen muss. Das Kontaktformular und die Mailingliste helfen hier auch gerne weiter.

Berufsbilder, in denen Arbeitsmöglichkeiten bekannt sind

  1. Softwareentwickler: Solange man sich eher im Datenmodell von Anwendungen bewegt, können blinde und sehbehinderte Menschen durchaus effektiv in einem Team mit anderen Programmieren oder eigenständig ein Projekt betreuen. Das Entwerfen von Oberflächen hat sich trotz einer gewissen Unterstützung durch die Screenreader z.B. in Visual Basic als nicht konkurrenzfähig erwiesen. Allerdings ist es durchaus möglich, die notwendigen Elemente auf den Formen zu platzieren und sie später von einem Kollegen Arrangieren zu lassen.
  2. Netzwerkadministrator: Eine Reihe an Administrationstools sind durchaus für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglich. Hier ist aber jeder Einzelfall unterschiedlich je nach dem, welche Fernwartungssoftware zum Einsatz kommt. Evtl. können auch bei unzugänglichen Lösungen alternative über Putty, Remotedesktop & Co. gefunden werden. Da Administratoren sowieso viele Sachen per Skript erledigen, lassen sich hier sicher gute Arbeitsfelder finden.
  3. Datenbankadministrator: Viele Datenbanken wie Oracle, PostGreSql etc. bieten neben den grafischen Oberflächen auch Kommandozeilentools an. Ein Administration von Datenbanken sollte möglich sein, auch wenn z.B. bei Oracle etwas andere Tools zum Einsatz kommen - z.B. eher en komplexes SQL-Skript starten, als sich durch ene unzugängliche Oberfläche zu klicken.
  4. Technischer Support: Wie in anderen Auskunfts und Hilfebereichen auch, kann eine supporttätigkeit je nach den verwendeten Tools möglich sein. Entgegen der Administration scheint hier aber kaum ein Weg über alternative Tools möglich. Hier muss also wieder jeder Einzelfall geprüft werden.

Berufe in denen keine oder kaum Arbeitsmöglichkeiten bekannt sind

  1. Systemadministratoren mit Installation von Betriebssystemen: Durch das Austauschen von Hardware und die Grundinstallation von Arbeitsplätzen scheint es schwer, geeignete Arbeitsmöglichkeiten zu finden, die mit Screenreadern kompatibel sind. Ein Einsatz wird vom Einzelfall und möglichen Brücken z.B. vollautomatische Installation des Betriebssystems etc. abhängen.
  2. Softwareentwicklung mit umfangreichen oberflächen oder Grafiklösungen: Wird z.B. an ener CAD-Software entwickelt, kann ein blinder oder sehbehinderter Kollege viele Funktionen nicht im Detail testen können. Evtl. bleiben nicht genug Algorythmen zu Umsetzung übrig, sodass evtl. keine Einsatzmöglichkeit besteht.
  3. Softwaretester für wechselnde Systeme: Softwaretesert testen i.d.R. diverse Projekte des Unternehmens. Hier ist es leicht möglich, das anwendungen unzugänglich und somit ungeeignet für einen blinden oder sehbehinderten Softwaretester sind. Ein weiteres problem ist sicher das effiziente Abspulen von Tests und der Protokollierung - hier geht es um Massenverarbeitung.